Auslöser für Trauer
Trauer bedeutet auch Abschied. Abschiede haben wir alle schon erlebt, in unterschiedlichen Formen. Nicht nur bei einem endgültigen Verlust, dem Tod eines nahestehenden Menschen, sondern auch in anderen abschiedlichen Situationen erfahren wir Trauer. Solche Situationen erleben wir immer wieder, jeder einzelne von uns. Folgende Situationen können Auslöser von Trauerprozessen sein und vielleicht kommt Ihnen etwas bekannt vor:
Ende einer Beziehung, Trennung oder Scheidung
Enttäuschung oder Unerfüllbarkeit von Wünschen, Hoffnungen und Plänen
Erfahrung mit ungewollter Kinderlosigkeit, Fehlgeburt oder Schwangerschaftsabbruch
Verlust der Kinder, weil sie erwachsen sind und das Haus verlassen haben
Verlust von Lebenschancen, die sich nicht mehr verwirklichen lassen
Ein Umzug, einen lieb gewordenen Ort verlassen
Wechsel oder Verlust des Arbeitsplatzes
Verlust von Fähigkeiten durch Krankheit oder Unfall
Verlust der Jugend und der Konfrontation mit dem Alter, Begegnung mit der eigenen Sterblichkeit
Trauer und Abschiede sind fester Bestandteil unseres Lebens. Nachfolgend möchte ich nur auf die Trauer nach dem Tod einer nahestehenden Person eingehen.
Was passiert mit uns in einer solchen Abschiedssituation? Es beginnt ein Prozess, der Trauerprozess, zu dem bereits einige Theorien entwickelt wurden, die anhand von Trauermodellen beschrieben werden. Allen Modellen gemein ist ein fließender Übergang der einzelnen Stationen. Es gibt keine klaren Grenzen. Ein "Springen" zwischen den einzelnen Stationen, wie auch ein wiederholtes Vorkommen einzelner Stationen ist möglich.
Die Dauer der einzelnen Phasen ist personen- und auch fallbezogen individuell.Es gibt viele verschiedene Modelle zu Trauerprozessen. Dazu ist grundsätzlich zu sagen, dass heute kaum noch die Modelle mit unterschiedlichen Trauerphasen benutzt werden, denn mittlerweile hat man erkannt, dass diese Phasenmodelle nur Ausschnitte der Wirklichkeit wiedergeben. Sie können nur als Annäherung begriffen werden, was Menschen in ihrer Trauer erleben.
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Das 4-Phasen Modell von Verena Kast
Diese Phase beschreibt "Das Nicht-Wahrhaben-Wollen". Entsetzen lähmt den Trauernden, „Nein, das kann nicht sein! – die müssen sich geirrt haben!“ Diese Phase dauert jedoch nur kurze Zeit, angefangen von wenigen Stunden, häufig bis zur Beisetzung, selten länger. Es können körperliche Symptome auftreten, wie z. B. zittern, Kopfschmerzen, Schlaf- und Verdauungsstörungen.
Die zweite Phase beschreibt die aufbrechenden Emotionen: Wut, Schmerz, Angst, Freude, Unruhe, Niedergeschlagenheit und eine Vielzahl weiterer Gefühle können in ständigem Wechsel auftreten. Aggressive Gefühle wie z.B. Wut und Zorn helfen dem Trauernden dabei, nicht depressiv zu werden. Diese negativen Gefühle werden häufig verdrängt. Dann kann passieren, dass der Trauernde aus dieser Phase nicht heraus kommt und die nächste Trauerphase wird nicht erreicht. Das Erleben dieser Phase hängt stark davon ab, wie die Beziehung des Trauernden zu dem Verstorbenen war, wie eng war die Bindung, gab es Konflikte? Wenn diese Konflikte nicht zu Lebzeiten gelöst werden konnten, können jetzt Schuldgefühle entstehen.
Der Trauernde sucht Orte auf an denen er häufig mit dem Verstorbenen war und er stellt Situationen her, in denen er dem Verstorbenen sehr verbunden ist und sucht Ähnlichkeiten zum Verstorbenen in anderen Menschen. Durch das wiederholte Suchen und nicht finden, erleidet der Trauernde immer wieder einen Verlust und ihm wird immer deutlicher, dass der Verstorbene nicht mehr da ist. Dadurch erkennt der Trauernde, dass nichts mehr so ist, wie es war. In dieser Phase können Verzweiflung, Depression oder Apathie auftreten, bis hin zu Suizidgedanken, weil das Leben ohne den Verstorbenen als sinnlos erlebt wird. Diese Phase kann Wochen bis sogar Jahre dauern.
Wenn die dritte Phase durchlebt wurde und die Gedanken an den Verstorbenen nicht mehr so vorherrschend sind, besinnt sich der Trauernde mehr auf sich selbst und seinen weiteren Lebensweg ohne den Verstorbenen. Der Trauernde erkennt die Möglichkeit sich weiter zu entwickeln. Auch Dinge zu tun, die er gemeinsam mit dem Verstorbenen vielleicht nicht getan hätte, dadurch auch neue Menschen kennen zu lernen, die er sonst nicht kennen gelernt hätte. Oft wird dem Trauernden bewusst, dass der Tod des geliebten Menschen ihm nicht nur vieles genommen, sondern das Leben mit dem Verstorbenen auch sehr viel gegeben hat. Auch in dieser vierten Phase sind immer wieder Rückfälle in eine der vorausgegangenen Phasen möglich, häufig verbunden mit Selbstzweifeln. „Hab ich richtig getrauert? Habe ich genug getrauert? Darf ich mich schon neuem zuwenden?“ Wenn auch diese vierte Phase durchlebt wurde, sprechen wir von einer normalen bzw. integrierten Trauer.
Source of content: Kast, 2013
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Trauerformen
Von komplizierter oder erschwerter Trauer sprechen wir, wenn die Intensität ein solches Ausmaß erreicht, dass der Trauernde völlig überwältigt ist und problematische Verhaltensweisen an den Tag legt oder endlos in seinem Trauerprozess verharrt, keinen Schritt weiterkommt. Dazu kann es kommen, wenn die nachfolgend genannten Elemente die Art, Intensität und Dauer des Trauerprozesses bedeutsam beeinflussen.
Wer ist gestorben?
Wie war die Bindung an den Verstorbenen? - Bestand eine Abhängigkeit wie z. B. bei Eltern und ihrem Kind?
Wie ist die Person gestorben? - War der Trauernde beim Sterbeprozess anwesend oder räumlich entfernt – Wie plötzlich kam der Tod? – War es ein gewaltsamer Tod oder ein Unfall? –– War der Todesfall vermeidbar?
Die Persönlichkeit des Trauernden? - Welches Alter und welches Geschlecht hat der Trauernde? – Wie bewältigt er Krisensituationen – Welchen Bindungsstil hat der Trauernde?
Soziale Faktoren? - In einem intakten sozialen Gefüge ist Trauer leichter zu ertragen. Wenn jedoch der Trauerfall stigmatisiert ist wie z. B. bei einem Suizid oder bei einem Schwangerschaftsabbruch, wird der Trauernde selten direkt darauf angesprochen. Soziale Isolation kann auch ein Indikator für komplizierte Trauer sein.
Gibt es gleichzeitig auftretende Belastungen? - Wie geht es finanziell weiter? Befindet sich der Trauernde in einer weiteren Krisensituation?
Von Trauerüberlastung sprechen wir, wenn mehrere Todesfälle gleichzeitig oder in kurzen Abständen erfolgen. Der eine Trauerprozess ist noch nicht durchschritten, dann stirbt eine weitere nahestehende Person. Viele Trauernde suchen etwas oder jemanden, der ihnen den unerträglichen Schmerz wegnimmt. Nicht selten kommt es vor, dass eine Trauergruppe besucht wird. Im Fall einer Trauerüberlastung oder auch Trauer nach Suizid könnte der Besuch einer normalen Trauergruppe jedoch kontraproduktiv sein, weil die „normal“ trauernden ja auch ihren eigenen, einen ganz großen Schmerz erleben und hören dann von diesem besonderen Fall. Das könnte sie überfordern.Und die Menschen in einer Trauerüberlastung oder in Trauer nach Suizid fühlen sich unverstanden. Bei Trauerüberlastung und Trauer nach Suizid gibt es spezielle Trauergruppen.
Bei Menschen, die an einer lebensverkürzenden Erkrankung leiden, beginnt eine vorausgehende Trauer, nicht nur für den Erkrankten, sondern auch für die Angehörigen, Freunde und Kollegen. Sie alle trauern um die Unerfüllbarkeit von Wünschen, Hoffnungen und Plänen. Um den Verlust von Lebenschancen, die sich nicht mehr verwirklichen lassen und um den Verlust von Fähigkeiten. Denn hier beginnt der Trauerprozess bereits ab der Diagnosestellung.
Source of content: Worden, 2017
Nächstes Kapitel:
Zweiter Schritt: Was zu vermeiden ist