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Inhalt
Wir alle wissen um die suggestive Macht der Werbung, die subtilen Tricks, mit denen uns Marketingexperten bisher unbekannte Sehnsüchte unterjubeln. Und wir alle knicken in schwachen Momenten ein und kaufen das Produkt, für das sie unser Verlangen erweckt haben, in der Hoffnung, das leise säuselnde Glücksversprechen möge sich mit dem Konsum zumindest kurzzeitig erfüllen.
Die Blinks erklären, wie diese Art der Beeinflussung funktioniert, und wie du sie bewusst zu deinem eigenen Vorteil nutzen kannst. Sie konzentrieren sich auf die kurze Zeitspanne vor der eigentlichen Entscheidung deines Kommunikationspartners und zeigen dir anhand konkreter Beispiele, wie du ihn bereits überzeugt hast, bevor du ihn um einen Gefallen oder Zustimmung bittest.
In diesen Blinks erfährst du außerdem,
- wie du ein Produkt oder eine Idee erfolgreich verkaufst,
- warum es sich lohnt, die Relevanz von Sensationsnachrichten kritisch zu hinterfragen, und
- wie sich die Wahl deiner Worte auf das Verhalten anderer Menschen auswirkt.
Wenn Vertreter religiöser Sekten neue Mitglieder werben wollen und potenzielle Kandidaten ansprechen, fragen sie zuallererst, ob die betreffende Person unglücklich ist. Die miesepetrige Gesprächseröffnung ist kein Zufall, sondern kaltes Kalkül.
Die Taktik ist Teil der Positiven Teststrategie und macht sich die natürliche Tendenz des Menschen zunutze, bei der stetigen Informationssuche jene Hinweise zu bevorzugen, die unsere Vermutungen bestätigen: Wenn dich jemand fragt, ob du unglücklich bist, suchst du automatisch nach emotionalen Belegen für dieses Gefühl, nicht nach Widerlegungen.
Genau diese natürliche Tendenz zur selbsterfüllenden Prophezeiung zapfen auch viele andere Berufsgruppen wie Verkäufer und Meinungsforscher an. Sie versuchen, deine Aufmerksamkeit durch eingleisige Suggestivfragen wie „Sind Sie unzufrieden?“ auf negative Momente in deinem Leben zu lenken, um diese Gefühlsschnipsel zu deinem vermeintlichen emotionalen Grundzustand zusammenzufügen. Die Teilnehmer einer kanadischen Studie z.B. hielten sich mit 4,75-fach erhöhter Wahrscheinlichkeit selbst für unglücklich, wenn die Frage entsprechend formuliert war, als wenn sie andersherum nach ihrem Glück gefragt wurden.
Ein weiterer Trick zur Beeinflussung von Entscheidungen besteht darin, bestimmte Assoziationen und Emotionen durch pre-suasive Fragen oder Kommentare in den Vordergrund zu rücken. Die Kommunikationswissenschaftler San Bolkan und Peter Andersen fanden z.B. heraus, dass sich Kunden leichter zum Kauf eines neuen Produkts und der Weitergabe ihrer E-Mail-Adresse überzeugen ließen, wenn sie zuvor vom Verkäufer zu ihrer Abenteuerlust und Risikobereitschaft befragt wurden.
Nahezu alle Testpersonen erklärten sich zum Kauf des Produkts bereit und satte 75,7% gaben zusätzlich ihre private E-Mail-Adresse preis. Zum Vergleich: In der Kontrollgruppe gaben ohne die einleitende Frage nur 33% ihre Kontaktdaten heraus. Es sieht also ganz so aus, als ob wir andere zugunsten einer von uns bevorzugten Entscheidung beeinflussen können, indem wir sie pre-suasiv in die passende Stimmung versetzen.
Eine weitere völlig menschliche Neigung ist die, alles für wichtig zu halten, was uns ins Auge springt. Dabei ist unsere Wahrnehmung alles andere als objektiv, sondern sensibler Spiegel externer Faktoren.
Stell dir z.B. vor, du solltest die Gefährlichkeit rechtsextremer Strömungen in Deutschland einschätzen. Deine Antwort würde zum großen Teil davon beeinflusst, wie sehr du in letzter Zeit z.B. durch die Berichterstattung von gewalttätigen Übergriffen mit dem Thema in Berührung gekommen bist.
2011 sollten die Teilnehmer einer Umfrage zwei Ereignisse nennen, die das Weltgeschehen der vorherigen 70 Jahre ihrer Meinung nach besonders beeinflusst hätten. Zwei Wochen vor dem 10. Jahrestag der Anschläge vom 11. September entschieden sich 30% der Befragten für 9/11. In den Tagen vor dem Jahrestag ging die Zahl jedoch auf 65% hoch, nur um wenige Wochen später wieder auf 30% zu fallen. Die Wahrnehmung der Bedeutung von 9/11 stieg und fiel proportional mit der Dichte der Berichterstattung rund um den Jahrestag.
Natürlich gibt es Dinge, denen wir unsere Aufmerksamkeit gerne und bewusst schenken. Wenn dich z.B. dein Chef auf Aspekte, Abläufe oder Events hinweist, kann das durchaus entscheidend für deinen Verbleib im Unternehmen sein. Kritisch wird es erst dann, wenn jemand deinen Fokus bewusst steuern möchte, um dich z.B. von seinem Produkt oder Standpunkt zu überzeugen.
Egal, ob es sich um Produkte, Services oder Ideen handelt – der erfolgreiche Beeinflusser bläht deren Relevanz so weit auf, bis sie einen größeren Teil deiner Wahrnehmung einnehmen, als sie eigentlich verdient hätten. Die punktuell verstärkte Berichterstattung über eine bestimmte extremistische Gruppierung kann z.B. dazu führen, dass wir die von ihr ausgehende Bedrohung als akuter oder größer einschätzen, als tatsächlich der Fall ist.
Einer Grundannahme der Verhaltensökonomie zufolge wird menschliches Verhalten in erster Linie durch finanzielles Eigeninteresse motiviert. Die Forschung zeigt allerdings, dass die Realität wesentlich komplexer ist und auch weniger sichtbare Faktoren eine große Rolle spielen.
Der Wirtschaftswissenschaftler Felix Oberholzer-Gee z.B. führte ein Experiment zur Vielschichtigkeit sozialer Verhaltensnormen durch. Er bot Menschen an verschiedenen Orten Geld an, um sich in der Warteschlange vordrängeln zu dürfen. Das wenig überraschende Ergebnis: Je mehr Geld er den Leuten bot, desto bereitwilliger ließen sie ihn gewähren.
Natürlich hat das leicht verdiente Geld die Menschen überzeugt… oder?
Das Experiment ist ein gutes Beispiel für unsere Tendenz, die offensichtlichste Erklärung für kausal und plausibel zu erachten und dabei andere Faktoren auszublenden. Auf den ersten Blick könnte man das Geld hier wie so oft für die wichtigste Währung menschlicher Interaktion halten. Sie ist so sichtbar und handfest, dass wir ihre Bedeutung überbewerten und andere weniger sichtbare Faktoren wie das Gefühl sozialer Verantwortung weniger stark gewichten.
Tatsächlich aber wollte letztlich keine der unwissentlich teilnehmenden Versuchspersonen das Geld annehmen. Die Menschen schlossen von der ungewöhnlichen finanziellen Offerte auf die Verzweiflung des Vordränglers und fühlten sich verpflichtet, in einer solchen Ausnahmesituation zu helfen. Je mehr Geld Oberholzer-Gee anbot, desto hilfebedürftiger wirkte er, und desto bereitwilliger halfen ihm die Leute aus der Patsche.
Die menschliche Neigung, bevorzugt augenscheinliche und „greifbare“ Faktoren wie die Geldgier zur Erklärung heranzuziehen, kann auch zur Beeinflussung anderer genutzt werden. Nehmen wir das Beispiel des CEO eines großen Konzerns, der aufgrund seiner exponierten Position automatisch sichtbar im Mittelpunkt steht. Unternehmenserfolge wie eine Steigerung des Jahresumsatzes werden folglich in der Regel eher mit seiner Person in Verbindung gebracht als mit der Leistung der Angestellten. Eine solche Ausgangslage spielt ihm z.B. im Falle von Gehaltsverhandlungen positiv als pre-suasiver Vorteil in die Hände.
Hat dir jemals ein Freund oder eine Freundin so leidenschaftlich von einem Film vorgeschwärmt, dass du ihn dir danach direkt selbst ansehen musstest? Dann hat die betreffende Person mit der Wahl ihrer Worte vermutlich die richtigen Assoziationen bei dir getriggert.
Sprache ist nämlich nicht einfach nur ein Mittel zur Übertragung von Botschaften, sondern ein versiertes Instrument zur Beeinflussung anderer Menschen. Zu diesem Schluss kommt der Psycholinguist Gün Semin in seiner Studie „Wozu dient Sprache in erster Linie?“: Wenn wir mit einer Person reden, lenken wir ihre Aufmerksamkeit auf einen bestimmten Ausschnitt der Realität. Dadurch werden die Assoziationen dieser Person zu diesem hervorgehobenen Teil der Realität aktiviert, die wiederum ihr Verhalten steuern.
Linguisten gehen davon aus, dass die Wahl der Worte das Denken und Handeln der Menschen entscheidend beeinflusst. In einem entsprechend konstruierten Experiment sollten die Probanden z.B. syntaktisch fehlerhafte Wortkombinationen korrigieren. Einer Gruppe wurden Worte mit aggressiven Konnotationen vorgelegt – z.B. die falsch arrangierte Wortkette „tötet ihn er“ –, der anderen Gruppe Worte ohne aggressiven Anklang.
Als die Teilnehmer anschließend einer weiteren Person Stromstöße versetzen und dabei selbst die Spannung festlegen sollten, wählten die mit aggressiven Assoziationen stimulierten Testpersonen eine im Durchschnitt 48% höhere Intensität. Worte haben also offensichtlich die Macht, das Verhalten des Empfängers pre-suasiv in eine ganz bestimmte Bahn zu lenken.
Mit Sicherheit würdest auch du deinen Schreibtisch intuitiv lieber vor einem Fenster mit schöner Aussicht aufstellen als in einem fensterlosen Raum. Tatsächlich kann auch unsere äußere Umgebung bestimmte Assoziationen hervorrufen und unser Denken und Tun entscheidend beeinflussen.
Wenn du die Performance deiner Mitarbeiter steigern willst, solltest du ihr räumliches Arbeitsumfeld möglichst so gestalten, dass es bei ihnen zielführende Assoziationen hervorruft. Ein Team aus Unternehmensberatern wurde z.B. von einem Kunden mit der Entwicklung eines Bonusprogramms für seine Belegschaft beauftragt. Die Unternehmensberater stellten fest, dass sie das Programm am besten vor Ort in den Büros des Kunden entwickeln konnten. Dort hatten sie von einem verglasten Konferenzraum aus konstante Einblicke in den Arbeitsalltag der Mitarbeiter, für die sie das Programm entwickeln sollten, und wurden durchgehend mit inspirierenden Assoziationen versorgt.
Dass wir umgekehrt auch durch bewusste Veränderungen unseres Innenlebens positiv auf uns selbst oder andere einwirken können, weiß jeder, der sich schon mal mit Meditation, Achtsamkeit oder autogenem Training befasst hat. Studien belegen, dass wir leistungsfähiger, gesünder und sogar glücklicher werden, wenn wir uns statt auf negative Attribute auf unsere positiven Eigenschaften konzentrieren.
Ein Beispiel für die bewusste Beeinflussung der Innenwelt anderer Menschen ist die leistungsfördernde Sitzverteilung in Matheklausuren. Stell dir vor, du bist Lehrer und willst die Matheleistungen der Mädchen in deiner Klasse verbessern. Es gibt Belege dafür, dass sich neben Jungen sitzende Mädchen negativ von dem Stereotyp beeinflussen lassen, Männer seien quasi von Natur aus besser in Mathe, und dann tatsächlich schlechter performen. Du könntest ihre Leistung also positiv beeinflussen, indem du die Klausur in nach Geschlechtern getrennten Reihen oder Räumen schreiben lässt.
Die Kernaussage dieses Buches ist:
Wenn du das Denken und Tun anderer Menschen beeinflussen möchtest, solltest du dich bereits auf die Zeitspanne vor der Übermittlung deiner Botschaft konzentrieren. Mit Fingerspitzengefühl und einer bewussten Wortwahl kannst du ihre Aufmerksamkeit gezielt auf bestimmte Ausschnitte der Realität lenken und Assoziationen auslösen, die sie empfänglicher für dein Anliegen machen.
Was du konkret umsetzen kannst:
Bitte deine Kunden um Rat.
Stell dir vor, du leitest eine Firma, die ein bestimmtes Produkt herstellt, und willst die Kundenbindung steigern. Aber wie? Indem du deine Kunden statt um ihre Meinung um Rat bittest! Die eigene Meinung ist introspektiv und selbstbezogen, aber um jemandem Rat zu geben, muss ich mich mit ihm und seinen Bedürfnissen identifizieren. Das schafft eine Verbindung zwischen deinen Kunden und deinem Produkt und überzeugt sie pre-suasiv davon, dein Produkt später zu kaufen.